Concerto

Title
Concerto
for violoncello and orchestra
Category
Orchester mit Solist(en)
mit Violoncello
Duration
16:00
Number of performers
40
Instrumentation
1 (auch Picc.) · 1 (auch Engl. Hr.) · 2 (2 . auch Bassklar.) · 1 - 1 · 1 · 1 · 0 - Hfe. - Str. (8 · 7 · 6 · 5 · 4; auch solistische Streicherbesetzung 1 · 1 · 1 · 1 · 1 möglich)
Composition year(s)
1966
World premiere
1967-04-19

Berlin · Siegfried Palm, Violoncello · Radio-Sinfonie-Orchester Berlin · Dir.: Henryk Czyz

Dedication
Siegfried Palm gewidmet
Audio
Copyright

György Ligeti: The Ligeti Project © 2016 Warner Classics 0825646028580

Comment of the composer on the work

Das Werk besteht aus zwei Sätzen. Der erste Satz ist langsam und verhalten, seine allmähliche musikalische Entfaltung fast statisch. Der zweite Satz beginnt mit einer ruhigen, zarten Bewegung und durchschreitet Regionen verschiedenster Bewegungstypen, die aber insofern eine Einheit bilden, als jeder neue Bewegungstyp eine Variante der früheren ist. Die zarte Bewegung des Anfangs verdichtet sich, wird von innen heraus aufgerissen, erreicht Extreme wilder Leidenschaftlichkeit und uhrwerkartig starrer Verfremdung und stirbt dahin in einer fast lautlosen, gleichsam geflüsterten Schlusskadenz des Solocellos.

Die beiden Sätze, so gegensätzlich sie auch erscheinen, sind trotzdem eng miteinander verwandt: Sie stellen zwei verschiedene Realisationen derselben musikalisch-formalen Idee dar und haben sogar ein und denselben musikalischen Bauplan als Grundlage. Als Beispiel für diese formale Korrespondenz seien die Schlussbildungen angeführt. Im ersten Satz suggeriert der Schluss Alleinsein und Verlorenheit: Das Solocello bleibt über abgrundtiefen Bässen wie in unermesslicher Höhe hängen, bis sein gefährlich dünner, pfeifender Flageoletton schließlich zerbricht. Den Schluss des zweiten Satzes bildet die wie im Nichts verhauchende Flüsterkadenz: Sie ist eine figurierte Variante des früheren zerbrechenden Flageolettons. Ähnliche Korrespondenzen lassen sich an allen Details der beiden Sätze aufzeigen; musikalische Keime, die im ersten Satz angedeutet sind, kommen im zweiten zur vollen Entfaltung.

Der Konzertcharakter des Stückes ist weder so zu interpretieren, als wären Solocello und Orchester zwei gesonderte Einheiten, die einander wetteifernd und kontrastierend gegenüberstehen, noch entspricht das Stück dem Typus des symphonischen Konzerts der Romantik. Konzertartig durchgestaltet ist hingegen die gesamte Faktur der Musik. Immer neue Instrumentengruppen spinnen die Bewegungen weiter, wobei das Solocello stets die Grundlage der wechselnden Instrumentenkombinationen bildet. Darüber hinaus tritt es auch durch virtuose Stimmführung als konzertierendes Hauptinstrument hervor, obgleich die Einheit mit dem orchestralen Geschehen immer gewahrt bleibt. Dabei handelt es sich keineswegs um äußerliche Virtuosität. Die hohen technischen und ausdrucksmäßigen Anforderungen, die das Stück an den Solisten stellt, dienen der differenzierten Gestaltung der subtil sich verändernden Stimmverwebungen und musikalischen Bewegungen.

Die Orchesterbesetzung ist so gewählt, dass der präzise, gläsern-durchsichtige Charakter der Bewegungen und die konzertante Behandlung des gesamten Orchesters zutage tritt. Orchestrale Tuttiwirkungen, eine »volle« Instrumentation sind dieser Besetzung und dem Charakter des Werkes fremd. Selbst in den wilden, leidenschaftlichen Partien dominiert das Klare, Deutliche, Artikulierte.

Einführungstext zur Uraufführung am 19. April 1967 im Sender Freies Berlin.

Zum Cellokonzert

Das Cellokonzert stammt aus der zweiten Hälfte der sechziger Jahre – seine zwei Sätze sind Abkömmlinge meiner Kompositionen aus den frühen sechziger Jahren: Der erste, ein langsamer Satz, gehört zum Typus von Atmosphères, seine Form ist statisch, ohne Rhythmus, kontinuierlich; der kontrastierende zweite Satz dagegen ist dynamisch, abrupt, zum Teil hektisch und mit Aventures verwandt. Die Musiksprache ist chromatisch, jedoch nicht dodekaphonisch, und dies bezieht sich auf alle meine Stücke der sechziger Jahre.

Der erste Satz besteht aus einem einzigen Spannungsbogen mit einem deutlichen Höhepunkt an der Stelle, an der das Solocello plötzlich zu hohen Flageoletttönen übergeht. Diese Stelle wirkt wie ein Riss: Der Bogen wird weiter und weiter gespannt, bis er die Spannung nicht mehr aushält. Hier stellt die abstrakte musikalische Form einen fast konkreten Materialzustand dar. Der zweite Satz ist collageartig. Aneinander »geklebte« Episoden bilden eine mit Spannung geladene Abfolge, und diese Folge ist weder determiniert noch chaotisch: Sie ist sozusagen halbgeordnet, denn einige Episoden scheinen logisch aufeinanderzufolgen, andere wiederum stehen in keinem Zusammenhang. Beendet wird dieser Satz mit einer virtuosen »Flüsterkadenz«: Das Solocello produziert geräuschhafte Klänge, die von arco in pizzicato übergehen. Gegen Ende, bevor die Musik sich in Stille auflöst, verwandeln sich die Pizzicati in flüchtige Berührungen der Saiten.

Die Orchesterbesetzung ist kammermusikalisch und umfasst Flöte (auch Piccolo), Oboe (auch Englischhorn), Fagott, Horn, Trompete, Posaune, Harfe, zwei Klarinetten (die zweite auch Bassklarinette) und fünf Streicher.

Einführungstext für das Begleitheft zur CD-Edition bei Teldec Classics (The Ligeti Project III, 8573-87631-2), Hamburg 2002.

Abdruck aus: György Ligeti, Gesammelte Schriften (Veröffentlichungen der Paul Sacher Stiftung, Bd. 10), hrsg. von Monika Lichtenfeld, Mainz: Schott Music 2007, Bd. 2, S. 243-245. © Paul Sacher Stiftung, Basel und Schott Music GmbH & Co. KG, Mainz, Bestellnummer: PSB 1014

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